CROOKED HORIZONS - Benjamin Zuber

CROOKED HORIZONS

2016, Show with Daniel Kiss

A slippery slope between cooperation and competition – Daniel Kiss and Benjamin Zuber’s Show at PIK / Cologne:

Der Betrachter betritt den Ausstellungsraum in einer Ecke und landet mitten in einem dichten Arrangements aus verschiedenen Objekten. Im Gegensatz zu diesem präzise komponiert, aber lückenlos gefüllten und hell erleuchteten Bereich ist die gegenüberliegende Seite des Raumes beinahe leer: Hier sind die Neonröhren ausgedreht und als einzige Arbeit läuft ein Videoloop in einem Bildschirm in der hintersten Ecke. Darüber hinaus ist der Raum erfüllt vom Klang einer „übenden“ Oboe – Tonleitern und Tonsprünge klingen aus einem kleinen Lautsprecher, der am Übergang der beiden Raumteile steht.

Bei sämtlichen Arbeiten des ersten Raumteils handelt es sich um (Bild-) Objekte von Daniel Kiss. Die einzelnen Elemente verdichten sich zu kleineren Konstellationen die zu einer Gesamtkomposition verschmelzen. Was zunächst in erster Linie als strenges Arrangement von durch musterartige Texturen gebrochenen, präzisen Formen erscheint und die – kunsthistorisch vielleicht nicht ganz neue – Idee einer begehbaren Malerei generiert, wird schnell zu einer schillernden Welt voller Referenzen zur zeitgenössischen Ästhetik und Werbebotschaften. Dann wird die vermeintliche Strenge des Arrangements an einigen Stellen brüchig und entpuppt sich als unverhohlen inszenierte Beiläufigkeit und spätestens der Nahblick offenbart den höchst subjektiven Kern der Arbeiten, der sich wohl am deutlichsten im offenkundigen Fetisch für eigenartige Materialien und Materialillusionen sowie dem technischen Erfindungsreichtum zur Generierung eigenwilliger Oberflächentexturen abzeichnet. Was zunächst vielleicht wie eine Verweigerung gegenüber jeder Form von Meisterschaft wirkt, wird schnell zur Souveränität im Meistern der selbst erfundenen technischen Mittel, was wie eine Aneignung bekannter Ästhetik daherkommt wird plötzlich zum schrägen Bildkosmos, der mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Im schattigen Bereich des Ausstellungsraumes schließlich ermöglicht eine Videoarbeit von Benjamin Zuber einen zweiten Blick auf ebendiese Bildobjekte. In einer geloopten Collage aus Kamerafahrten durch verschiedene Arrangements der Objekte und Materialien des Kollegen lässt der Künstler einen fiktiven digitalen Raum entstehen, der – wenn auch offenkundig direkt vor Ort gedreht wurde – nie wirklich klar erfassbar ist: Die räumliche Fiktion wird immer wieder brüchig und das Bild plötzlich grafisch, das hochauflösende Video ist geprägt vom rohen Umgang im Ausloten digitaler Möglichkeiten. In diesem Kontext werden die Objekte von Daniel Kiss plötzlich zu wandelbaren Kulissen, die wiederum den Hintergrund für die Inszenierung ihrer Selbst als Protagonisten in einem unmöglichen Raum generieren. Die Scharfkantigkeit der Objekte geht Hand in Hand mit den scharfen Kanten der einzelnen Videosegmente und weckt Assoziationen zu expressionistischen Filmkulissen à la Dr. Caligari – in poppigen Pastellfarben.

Als drittes Element der Show schwebt der Klang der professionell übenden Oboe wie ein Soundtrack über – oder vielleicht besser unter – dem gesamten Raum. Als würde der eine auf der Klaviatur des Anderen spielen untermalen die Tonleitern den Versuch einer Gleichzeitigkeit von Annäherung und Aneignung. Das Auf und Ab der Tonsprünge kann vielleicht den oszillierenden Blick auf die Ausstellung illustrieren: In einem Moment scheint die Ausstellung komplett von Daniel Kiss dominiert, dessen Objekte nicht nur physisch den Raum füllen, sondern sich auch noch darüber hinaus in den virtuellen Raum der Videoarbeit von Benjamin Zuber ausdehnen. Im nächsten Moment scheint Zubers Videoarbeit plötzlich zum Nukleus der gleichnamigen Ausstellung zu werden und die Arbeiten von Kiss zu einer Mischung aus Materialpool und verlassenem Filmset zu degradieren. Wenn Kiss’ Rolle in einem Augenblick als freundschaftliches Vertrauen in die Sensibilität des Kollegen erscheint, im nächsten Moment aber als herablassende Geste, so lässt sich Zubers Vorgehen gleichermaßen als Huldigung wie als Missbrauch rezipieren. Dass sich die beiden Künstler der Doppelbödigkeit ihres Ansatzes mehr als bewusst sind zeichnet sich vielleicht ein weiteres Mal im Klang der Oboe ab: Wie kein zweites Instrument klingt sie gleichsam komisch wie tragisch, ihre Beherrschung ist derart komplex, dass selbst der Laie die Meisterschaft schon in der rührseligen Imperfektion einfacher Tonleitern zu erkennen vermag und so unüblich sie als Soloinstrument sein mag, so unverkennbar charakteristisch ist ihr Klang.

• Alle (Blid-)Objekte: Daniel Kiss • „practising oboe“ Soundarbeit von Daniel Kiss und Benjamin Zuber • „CROOKED HORIZON“ Videoloop (8’10“) von Benjamin Zuber

in production

Objects by Daniel Kiss, video by Benjamin Zuber

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